Online-Journalismus ist in Deutschland auf einem beständigen Weg. Einem beständig traurigen. Das hat wahrscheinlich nicht mal etwas mit den Anfängen und dem Verlauf zu tun, welche die publizistischen Angebote, bezahlt und kostenlos, seit der allgemeinen Verfügbarkeit des Internet hierzulande durchlaufen haben. Dabei möchte ich nur kurz an die Anstrengungen für Bezahlgates, etwa denen des Handelsblatt und weiteren erinnern. Inzwischen ist nun auch Springer mit Bild Plus am Paywall-Start, wenngleich im Zuge der rührenden Gasthospitanz von Chefredakteur Kai Dieckmann, der dafür eigens mit Kind und Kegel auf Zeit in die digitale Sphäre des Silicon Valley umsiedelte. Nun haben sich unter großer Anteilnahme der Medien(-magazine) die Krautreporter mit einem neuen Finanzierungsprojekt an eine digitale Teilöffentlichkeit gewandt, um zahlende Leser zu gewinnen. Es soll
„Emotional, relevant, journalistisch“
zugehen. Ein solches Angebot ist interessant im Zuge diverser, partikularer und konzertierter Anstrengungen, so etwa der The Huffington Post Deutschland.
Ich meine aber: Angesichts des Postulats des eigenen Anspruchs und künftigen Umfangs ist es kaum abzusehen, ob dies ein Erfolg wird – besonders für tatsächlich interessierte Leser. Das eine ist es, die neue Union ambitionierter, manchmal herumkreiselnder Digitaljournalisten neben individuellen Vergütungssystemen wie Flattr einmal mittels einer fixen Idee eines Mediums zu unterstützen. Das andere aber wird es sein, hierin eine Alternative zu entdecken, die das bisherige Angebot leserorientiert ergänzt oder sogar aufwertet.
Jetzt mag man meinen, bei allem Niedergang der Tageszeitungen und schwindender Fachmagazine sei dies die richtige Form des medialen Ablasses, den wir verdient haben des digitalen Journalismus, der die Zukunft gehöre. Schmeißen doch die bösen Medien-Investoren Verleger ihre fest angestellten Redakteure in immer neue Konstruktionen an Auffanggesellschaften und Zeitungsredakteur-Pools. Und das allein des Profits wegen. Dabei liefen schwach bis uninteressierte Leser entweder im Laufe der letzten 15 Jahre in Scharen weg oder es kommen teils zu wenige, teils keine Käufer neuen aus den nachwachsenden Generationen hinzu. Dies ist allerdings mitnichten allein die Schuld der Anbieter gedruckter oder online verfügbar gemachter, aktueller Nachrichten- und angelehnter Informationsangebote. Vielmehr wandeln sich die Interessen der Konsumenten laufend schneller – oder werden seitens der Hersteller mobiler Geräte wie E-Reader, Smartphones, Tablets und bevorstehender Smart Devices in diese Neugier getrieben. Was eben noch Second Screen-Phänomen war, ist inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Was sich heute immer noch als Second Screen verbreitet, kann morgen schon nicht wegzudenkender Bestandteil eines Personal Main Screen, vielmehr von AnyScreen [UPDATE 13.06.2014], sein. Liefen Facebook und Twitter zuletzt noch auf dem Connected Device während des Tatort, ist heute im Smart TV bereits voll integriert. Und damit meine ich nicht solche fast schon rührende Videotext-Seiten á là „Teletwitter„.
Der Online Journalismus ist kaputt – NOT.
Zuletzt haben etliche traditionelle Medien, so etwa stern und ZEIT Online, schwerpunktmäßig investigativ recherchierende Teams verstärkt und angekündigt, die Ressorts kontinuierlich sowohl um digital/technologische als auch netzpolitische Themen zu erweitern. Meines Erachtens ist das der richtige Weg, um nicht nur mit der Zeit zu gehen, Leser zu halten, sondern auch, um neue zu gewinnen, die bisher Blogs gelesen oder sich überhaupt nicht für herkömmliche Medienangebote interessiert haben. Selbst Fernsehsender, öffentliche-rechtliche Sendeanstalten!, setzen erst behutsam, nun immer fokussierter auf Blogs, mehr Freiheiten für ihre Korrespondenten bei Twitter. Herausragendes Beispiel sind die Aktivitäten der Nahost-Korrespondenten der ARD, unter anderem im Blog des Studio Tel Aviv sowie auf Twitter durch Markus Rosch und Richard C. Schneider vom Fernsehen, Torsten Teichmann und Christian Wagner vom Hörfunk. Die Berichterstattung mündete zuletzt in der ebenso informativen wie umfassenden Dokumentation des Reportage-Projekts „Zwischen Hoffnung und Verzweiflung – der neue Nahe Osten“ von TV-Journalist Schneider zusammen mit Kollege Jörg Armbruster.
Zudem gibt es zahlreiche, seit Jahren digital orientierte, mitunter auf eigene Faust twitternde und Facebook-nutzende Redakteure, die ihre Artikel, daneben Links, Beobachtungen und Meinungen handwerklich einwandfrei aufbereitet verbreiten, so etwa Sven Stein vom Ressort der „BILD Digital„, Dr. Michael Spehr von der F.A.Z., Dirk Liedtke beim stern und der „Gadgetinspektor“ Thomas M. Kuhn aus der Wirtschaftswoche-Redaktion.
Daher meine ich, dass es ein neues Angebot nicht braucht, nicht zur Reparatur eines vermeintlich defekten Onlinejournalismus und auch nicht im – vielleicht auch nicht beabsichtigten – Nebeneffekt eines Druckmittel auf traditionelle Medien. Solange letztere – noch – die Zeichen der Zeit erkennen. Auch wenn diese schlecht zahlen oder unregelmäßig beauftragen und das Auftragsvolumen deswegen für viele, besonders freie Journalisten zusammen nicht reicht. Vielmehr bin ich überzeugt, dass Verlage unter den bekannt schwierigen Bedingungen in der Lage sein werden, mit weniger Formaten, Titeln und Plattformen einen Auftrag zu erfüllen und gesellschaftliche, soziale und politische Aufgaben der Information und Kontrolle per Berichterstattung weiterhin zu erledigen. Klar male ich hier ein Bild der schönen neuen Welt. Doch nur die Hoffnung darauf braucht es noch nicht, denn die Realität der vorhandenen Medien im Wandel ist chancenreich und positiv. So lohnt es sich 2014 immer noch, eine Tageszeitung aus dem Qualitätssegment zu abonnieren oder im Straßenverkauf zu erwerben. Oder in deren App zu bezahlen.
Neues Etikett, neuer Schlauch – aber der Wein?
Was mich besonders wenig überzeugt, betrifft im Prinzip der Kern eines Mediums: die geplante thematische Ausrichtung, gepaart mit dem ressortseitigen Anspruch, auch vor dem Hintergrund der bisherigen inhaltlichen Schwerpunkte der benannten Redaktionsmitglieder. So wirkt es auf dem Papier der Einsteigsseite wie ein allzu buntes Sammelsurium irgendwo zwischen einem Schwerpunkt Gesellschaft plus Politik bei wenig Wirtschaft und Ausland, Investigativjournalismus neueren Typs sowie Medien-Beleuchtung. Und viel digital Digitalem. Das reicht mir so nicht. Ebenso wenig sind vier Stories zu wenig für ein Medium, dass immerhin 900.000 Euro p.a. einsammeln will, über den Preis von 60 Euro pro Leser und Jahr.
– Ich werde Krautreporter nicht unterstützen.
UPDATE – 13.06.2014
Chapeau: Das Projekt hat nach einem furiosen Schlussspurt, unter anderem dank massiver Unterstützung durch Mehrfacherunterstützer wie der Rudolf Augstein Stifung, das angepeilte Finanzierungsziel von 15.000 Förderern erreicht. Dem zolle ich Respekt. Dennoch bleibe ich dabei: Mit dem derzeitigen journalistischen Qualitätsangebot wird ein breites Spektrum der Berichterstattung, auch mit investigativem Anspruch, abgedeckt, dass von geneigten Lesern und Nutzern erst einmal entdeckt werden will.
UPDATE – 05.01.2015
Nach 3 Monaten Prolog hat Marc Wickel genauer hingeschaut, dabei in seinem Blog „Kraut von Rüben sortiert – Krautreporter durchgezählt„ [übrigens ein schöner Titel von Marc 😉 ] – und ist enttäuscht über den bisherigen Einsatz der von ihm favorisierten Journalisten:
Meine Meinung: Schlechte Recherche bei zu vielen Texten. Und den Rest finde ich größtenteils langweilig. Gut, das mit dem langweilig kann passieren und ist auch eher mein Geschmack. Ich hatte mir eben mehr Beiträge von Jens Weinreich […], Richard Gutjahr […] oder Thomas Wiegold […] erwartet. Und bei den Stücken, die ich mal gelesen habe […], habe ich bei zu vielen den Eindruck, dass die auch genauso gut in den Blogs der Autorinnen und Autoren hätten stehen können.
Soviel Tiefe traue ich mir nicht zu, da nur gelegentlich per RSS-Reader mitlese. Nur soviel: Es entspricht exakt meinen zuvor skizzierten Erwartungen.
– Titel / Foto: GEO
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